Auch ohne an Long Covid zu leiden, klagen viele Menschen darüber, geistig ausgelaugt zu sein. Woran liegt das? Und wie kann man sich wieder stärker fokussieren? Der Neurowissenschaftler Henning Beck erklärt in einem Interview mit dem SZ-Magazin, was unsere Konzentration positiv beeinflusst. Hier einige Auszüge:

SZ-Magazin: Herr Beck, warum haben so viele Menschen manchmal das Gefühl, mental erschöpft zu sein?
Henning Beck: Menschen sind keine Maschinen. Sie können nicht einfach Programme abrufen und unabhängig von ihrer Umgebung und ihrer aktuellen geistigen Verfassung Leistung erbringen. Ich nenne Ihnen ein Beispiel: Jeder Profifußballer in der Champions League kann einen Elfmeter schießen. Aber es ist was anderes, wenn ihm 70.000 Menschen im Stadion dabei zu schauen. Genauso ist es beim Einparken. Das klappt auch schlechter, wenn zehn Jugendliche neben der Parklücke stehen und Handyvideos machen.

Ist diese mentale Stärke etwas Konstantes, das einem zu eigen ist, oder ist man an manchen Tagen mental stärker und an anderen erschöpfter?
Das Gehirn ist wie die Nieren ein Organ, das immer gleich stark durchblutet wird. Also egal, ob ich jetzt losrenne und springe oder schwierige Rechenaufgaben löse oder einfach schlafe. Der Stoffwechsel ist nahezu gleich. Bei stundenlanger, komplexer Denkarbeit sammeln sich aber Stoffwechselprodukte im Gehirn an, und das Gleichgewicht der Botenstoffe gerät aus den Fugen. Wir sind geistig müde, das spüren wir fast körperlich. Nach einiger Zeit ist die Balance wieder hergestellt.

Das Max-Planck-Institut für Bildungsforschung hat zusammen mit einem internationalen Forschungsteam in einer Studie gezeigt, dass die Fähigkeit, sich auf eine Aufgabe zu konzentrieren, innerhalb der Gesellschaft sinkt. Die Abnahme der mentalen Energie ist ein kollektives Problem. Woran liegt das?
Es gibt zahlreiche Studien, die den Trend aufzeigen, dass die Aufmerksamkeit und Konzentration abnehmen. Sie zeigen, dass es eine Folge des weit verbreiteten Multitasking-Verhaltens ist, also der Tatsache, dass viele von uns permanent zwischen verschiedenen Medien hin und her springen und diese parallel bedienen, etwa wenn ich beim Fernsehschauen gleichzeitig das Smartphone nutze oder den Fernsehen mitlaufen lasse, während ich am Laptop arbeite. Das Akustische ist dabei nicht das Problem, sondern alles, was unsere optische Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt. Das Problem ist, dass Menschen sich deshalb immer schlechter auf einzelne Aufgaben konzentrieren können, weil sie am Arbeitsplatz, an der Universität oder im Alltag, wenn sie auf dem Sofa Fernsehen und gleichzeitig auf dem Smartphone wischen, dazu angehalten sind, dass sie in einer Multi-Screen-Umgebung hin und her wechseln.

Also: Indem man Aufgaben parallel erledigt, ist man nur scheinbar effizient?
Multitasking ist kognitiv nicht möglich. Unter einer Aufgabe verstehe ich in der Kognitionswissenschaft eine, für die ich Aufmerksamkeit brauche, um sie zu lösen. Durch die Welt laufen und zu atmen, ist also keine Aufgabe. Etwas zu lesen oder zu schreiben schon. Und zwei solcher Aufgaben gleichzeitig zu machen, funktioniert nicht. So ist es auch beim Gehirn.

Wie kann man dem entgegenwirken?
Wir müssen unseren Nervenzellen die Möglichkeit geben, sich an die Reize anzupassen. Pausen dienen dazu, nicht zu arbeiten, aber sie gehören zum aktiven Teil der Arbeit, weil erst in der Ruhephase werden Sinnesreize wieder aufgerufen und priorisiert, also wichtige von unwichtigen sortiert. Das machen wir im Schlaf, doch das reicht nicht. Wir brauchen auch tagsüber Pausen.

Kann man mit der Ernährung die mentale Leistung steigern?
Es gibt kein Gericht, das Menschen schlauer macht. Aber es gibt Lebensmittel, die verhindern, dass ich dümmer werde. Ungesättigte Fettsäuren haben positive Effekte auf die Membranen im Hirn. Deswegen hat Studentenfutter wohl seinen akademischen Namen, denn es enthält viele Nüsse. Ebenso gibt es kein Getränk, dass unsere mentale Energie nachhaltig pusht. Doch es wird oft unterschätzt, dass genug getrunken wird. Denn wenn zu wenig Flüssigkeit im Körper ist, nimmt die kognitive Kraft ab. Für das Gehirn ist es besser, morgens ein großes Glas Wasser zu trinken als eine kleine Tasse Kaffee.

Das gesamte Interview finden Sie kostenpflichtig hier.

Was gegen mentale Erschöpfung hilft